Wenn der Polarwirbel zusammenbricht

Das sogenannte “Sudden Stratospheric Warming“, auf deutsch “plötzliche stratosphärische Erwärmung” gehört zu den extremsten atmosphärischen Phänomenen. Die Stratosphäre ist die Schicht der Atmosphäre von etwa 10 km bis 50 km über der Erdoberfläche, und eine plötzliche Erwärmung in dieser Höhe kann zu sehr kaltem Wetter über Europa und Sibirien führen.

Im Winter herrscht in den Polarregionen die Polarnacht, es ist also 24 Stunden am Tag dunkel . Dabei sinkt die Temperatur in der Stratosphäre über dem Nordpol auf -70°C oder noch tiefer. Der Pol ist von starken Westwinden umgeben, die den so genannten Polarwirbel bilden. Etwa alle zwei Jahre kann dieser Wirbel jedoch auf dramatische Weise zusammenbrechen. Dies kann dazu führen, dass die Temperaturen über dem Pol innerhalb weniger Tage um bis zu 50 Grad ansteigen, von -70 auf -20 Grad. Auch die durchschnittliche Windrichtung um den Pol kann sich umkehren, in diesem Fall liegt eine “plötzliche Stratosphärenerwärmung” vor.

Auch am 20.01.2021 kann man ein solches Ereignis beobachten. Die folgende Abbildung (Quelle: Wetterzentrale.de) zeigt den Zustand der Atmosphäre in 10 hPa (ca. 35 km Höhe), links zu sehen sind die Temperaturen, rechts der Wind. Über Ostsibirien sind ungeöhnlich Hohe Werte über -30°C zu erkennen. Der Polarwirbel ist völlig deformiert, von Kanada über Island bis nach Ostsibirien herrscht starker Ostwind, normalerweise weht hier ein starker Westwind.

Diese Störung in der Stratosphäre kann dann durch die Atmosphäre nach unten übertragen werden. Wie genau das funktioniert, ist noch nicht vollständig erforscht. Wenn diese Störung die unteren Stratosphäre erreicht, kann sie den Jetstream beeinflussen, eine Luftströmung, die sich normalerweise von West nach Ost um den Planeten schlängelt und die kältere Polarluft von der wärmeren subtropischen Luft trennt.

Eine plötzliche Erwärmung der Stratosphäre kann dazu führen, dass sich der Jetstream in Richtung Äquator verschiebt. Dadurch verändern sich die Luftströmungen, milde Atlantikluft wird durch kalte Luft aus Sibirien oder der Arktis ersetzt. Europa und Nordasien können dann ungewöhnlich kaltes Wetter erleben. Dies geschah zum Beispiel im Jahr 2018, als der Winter Europa bis weit in den März hinein fest im Griff hatte.

Es kann zwischen wenigen Tagen und einige Wochen dauern, bis die Auswirkungen der Stratosphärenerwärmung die Erdoberfläche erreichen. Dies lässt sich nur schwer vorhersagen. Eine Reihe von Faktoren, darunter ein La-Niña-Ereignis im tropischen Pazifik, haben zu einem starken Polarwirbel im Frühwinter 2020/21 beigetragen. Normalerweise bedeutet ein starker Wirbel, dass eine plötzliche stratosphärische Erwärmung nicht besonders wahrscheinlich ist. Trotzdem hat sich Anfang Januar eine solche eingestellt.



Etwa zwei Drittel der stratosphärischen Erwärmungsereignisse haben eine nachweisbare Auswirkung bis zur Erdoberfläche, und zwar bis zu 40 Tage nach Beginn des Ereignisses. Diese ist in der Regel durch außergewöhnlich niedrige Temperaturen über Nordeuropa und Asien gekennzeichnet, die sich bis nach Westeuropa erstrecken. Über der ostkanadischen Arktis herrschen dagegen dann relativ hohe Temperaturen.

Es ist noch nicht klar, warum einige stratosphärische Erwärmungsereignisse Wochen brauchen, um sich auf die Erdoberfläche auszuwirken, während andere schon Tage später zu spüren sind. Es könnte damit zusammenhängen, wie sich der Polarwirbel um den Beginn eines Erwärmungsereignisses verändert. Der Wirbel kann sich in zwei kleinere Wirbel aufspalten, oder er kann sich von seiner üblichen Position in der Nähe des Pols in den Bereich über Nordsibirien verlagern.

Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass Erwärmungsereignisse, bei denen sich der stratosphärische Polarwirbel aufspaltet, im Allgemeinen dazu führen, dass die Auswirkungen auf die Oberfläche schneller und stärker auftreten.

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