Ozeanversauerung: der böse Zwilling der Klimakrise
Forscher warnen eindringlich: Die Ozeanversauerung – oft als „böser Zwilling“ der Klimakrise bezeichnet – nimmt weltweit rasant zu. An der Küste von Plymouth, Devon, überprüfen Wissenschaftler des Plymouth Marine Laboratory (PML) regelmäßig eine hochentwickelte Datenboje („L4“), die stündlich pH‑Werte misst. Diese Aufzeichnungen zeigen, dass die Versauerung in einem beunruhigenden Tempo ansteigt, berichtet der Guardian.
Eine gemeinsam mit NOAA und der Cooperative Institute for Marine Resources Studies (CIMRS, Oregon) verfasste Studie, die am 9. Juni 2025 veröffentlicht wurde, kommt zu dem Schluss, dass die Absenkung des pH‑Werts schneller geschieht als bisher angenommen. Der steigende CO₂‑Gehalt in der Atmosphäre führt dazu, dass immer mehr Kohlendioxid vom Ozean aufgenommen wird. Dort reagiert es mit Wasser, was zu einem erhöhten Säuregehalt führt – die pH‑Werte sinken.

Die Folgen sind gravierend:
- Zum Beispiel brach um 2010 die Muschelzucht im Nordwesten der USA fast zusammen: Junge Austern fanden keine Anzeichen zum Schalenbau wegen zu saurer Bedingungen. Erst durch Überwachung und pH‑Kontrolle in den Zuchtanlagen konnte sich die Branche langsam erholen.
- Wissenschaftler wie Prof. Steve Widdicombe (PML) betonen, dass ein direkter Nachweis biologischer Schäden schwer zu erbringen ist – Effekte treten verzögert auf und sind oft nicht klar einer Versauerung zuzuordnen, da Faktoren wie Erwärmung, Überfischung oder Verschmutzung parallel wirken.
Ein alarmierender Bericht vom selben Tag ergänzt, dass Ozeane die „planetare Grenze“ für Versauerung bereits um das Jahr 2020 überschritten haben. Diese Grenze wird definiert als ein Rückgang des Aragonit-Sättigungszustands um mindestens 20% gegenüber der vorindustriellen Zeit. Insbesondere in Tiefen um 200 m sind sogar 60% der globalen Meere diesen kritischen Schwellenwert bereits überschritten. Dies bedeutet, dass zahlreiche Kalkschalen-bildende Organismen wie Korallen, Muscheln, Schnecken und Pteropoden massiv in ihrem Wachstum und ihrer Überlebensfähigkeit beeinträchtigt sind.
Langfristige Auswirkungen:
- Die Schädigung dieser Organismen destabilisiert marine Nahrungsnetze, beeinträchtigt wichtige Lebensbereiche und bedroht wirtschaftlich wichtige Fischerei- und Aquakulturbetriebe.
- Der Trend der Versauerung wird sogar als tickende Zeitbombe beschrieben, die tiefgreifende ökologische und ökonomische Konsequenzen birgt.
Obwohl das globale Übereinkommen – wie z. B. das „Global Biodiversity Framework“ – Maßnahmen fordert, fehlen Umsetzung und politische Dringlichkeit vor allem in Ländern ohne ausreichende Ressourcen.
Kommerzielle Anbieter experimentieren inzwischen mit Meeres-Geoengineering wie „Ocean alkalinity enhancement“, um pH‑Werte lokal zu erhöhen – etwa in Aquakulturen. Doch Wissenschaftler warnen, dass solche Methoden ohne belastbare Daten riskant sind und nicht den entscheidenden Hebel CO₂‑Emissionen angehen.
Der Appell der Wissenschaft ist unmissverständlich: Ohne drastische Senkung der CO₂‑Emissionen lässt sich das Problem nicht lösen. Parallel können lokale Maßnahmen wie die Eindämmung organischer Verschmutzung und der Aufbau widerstandsfähiger Küstenökosysteme helfen.
Wissenschaftler setzen große Hoffnung in internationale Konferenzen – etwa die UN‑Ozeankonferenz in Frankreich – sich eine politische Bühne zu bieten, um das Thema Versauerung endlich zu priorisieren. Die zentrale Forderung: Die nächste Dekade ist entscheidend – nur durch konsequente CO₂‑Reduktion kann die Ozeanversauerung verlangsamt werden, da bereits ausgelöste Schäden kaum rückgängig gemacht werden können.